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Undurchsichtige Immobilienkäufe in Andermatt – Zwischen Boom und Korruptionsrisiken

Immobilienkäufe
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  1. Kontext und Kernproblem


    Andermatt, ehemals ein verschlafenes Bergdorf im Kanton Uri, wurde in den vergangenen Jahren durch eine visionäre Entwicklung seitens des Investors Samih Sawiris zum modernen Ganzjahres‑Tourismusresort „Andermatt Swiss Alps“ transformiert. Ein zentrales Verkaufsargument: Andermatt ist im schweizerischen Alpenraum die einzige Destination, in der Ausländerinnen und Ausländer ohne Einschränkungen Immobilien erwerben dürfen. Dies bringt nicht nur Investoren aller Nationalitäten, sondern zieht auch Aufmerksamkeit auf brisante Lücken im Transparenz‑ und Kontrollsystem.


  2. Die Rolle von Briefkastenfirmen


    Bereits im Herbst 2023 alarmierte Transparency International Schweiz: Immobilienspekulation werde überwiegend über Briefkastenfirmen aus Offshore‑Steueroasen abgewickelt. Behörden seien faktisch überfordert, den Eigentümerkreis zu durchleuchten – insbesondere bei russisch dominierten Firmen. Martin Hilti (TI‑Schweiz) warnte vor möglichen Geldwäscherisiken und Korruption – trotz verordneter Sanktionen gegen russische Vermögenswerte.


  3. Russische Käufer: Ein bedeutender Faktor?


    Obwohl der ursprüngliche Bericht von 20 Minuten pauschal von „Russen“ sprach, zeigte sich bei Transparency, dass sich Käufer anonym in Briefkastenfirmen versteckten. Die Frage bleibt, ob und wie viele dahinter staatlich vernetzte russische Oligarchen stehen. Die strukturell mögliche Intransparenz – nicht nationale Herkunft – steht im Zentrum der Kritik.


  4. Aktuelle Marktentwicklung: Amerikanischer Immobilien Boom


    Im Frühling 2025 sorgten vor allem US-Bürger für starken Marktansturm. Innerhalb weniger Monate gingen über 1 260 Anfragen ein und Transaktionen in Höhe von 14,2 Mio. Franken wurden getätigt – nahe dem doppelten Wert des gesamten Vorjahres. Der ruhelose Frankenkurs, Unsicherheiten durch US-Zollpolitik und das Prestigeobjekt „Vail Resorts“ als Betreiber verhalfen Andermatt zum durchschlagenden Image als Anlageziel.


  5. Systemische Probleme und Risiken


    1. Fehlende Transparenz     - Schweizer Behörden können bei Inhaberstrukturen hinter Briefkastenfirmen nicht sicher identifizieren, wer wirklich kauft. 

    2. Geldwäscherei‑Gefahr     - Die Kombination aus anonymem Erwerb und hochpreisigen Objekten erleichtert Einzahlungen unklarer Herkunft. 

    3. Widerspruch zu Sanktionen     - Trotz gegen Russland verhängter Sanktionen besteht ein legaler Erwerb ohne zusätzliche Kontrollen oder Berichtspflichten.

    4. Soziale Auswirkungen     - Ein vom anonymen Kapital dominierter Markt kann zur Überhitzung der Preise und sozialer Verdrängung vor Ort führen.


  6. Regulatorische Lücken und mögliche Lösungen


    • Lex Koller-Ausnahmen in Andermatt

      Während in weiten Teilen der Schweiz das Zweitwohnungsgesetz (Lex Koller) Auslandsverkäufe reglementiert, wurde für Andermatt eine Ausnahme geschaffen.

    • Begrenzte politische Reaktion

      Verschiedene Akteure (NGOs, Medien) fordern Transparenzinitiativen; konkrete Gesetzesänderungen auf Bundesebene sind bislang jedoch nicht umgesetzt.

    • Mögliche Massnahmen:

      Einführung einer Pflicht zur Offenlegung der tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten (UBO).

    • Verstärkte due‐diligence‑Verfahren bei Transaktionen, auch im Rahmen regionaler Bau- und Planungsgesetze.

    • Harmonisierung mit Anti‑Geldwäsche‑ und Sanktionsrecht, auch über Ausnahmeregelungen hinaus.


  7. Fazit: Investmentchance versus systemisches Risiko


    Andermatt bietet ausländischen Käufern attraktive Bedingungen – von der liberalen Gesetzeslage bis zum Prestigeprojekt. Doch diese Offenheit eröffnet auch Risiken: Die mangelnde Transparenz ermöglicht unkontrollierte Kapitalströme, potenzielle Geldwäsche und Einfluss durch einflussreiche Akteure.


    Angesichts der zunehmenden Dynamik – insbesondere durch US-Dollar‑Abflüsse, jüngst angeheizt durch politische Unsicherheiten in den USA – ist der Reformbedarf erkennbar: Nur mit gezielten Regulierungen, verbesserten Kontrollmechanismen und konsequenter Offenlegung lässt sich der Immobilienboom sozial und ethisch verantwortbar gestalten.


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