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Kritischer Fachbericht: Die Babyboomer und ihre Einfamilienhäuser in der Schweiz

Babyboomer
Einfamilienhäuser Babyboomer

1. Einleitung


In der Schweiz ist das Einfamilienhaus (EFH) ein Symbol des bürgerlichen Wohlstands und individueller Freiheit – insbesondere für die sogenannte Babyboomer-Generation, also jene zwischen 1946 und 1964 Geborenen. Diese Alterskohorte prägte nicht nur die gesellschaftliche und wirtschaftliche Nachkriegsentwicklung, sondern auch das heutige Bild der Schweizer Wohnlandschaft. Heute jedoch geraten die Einfamilienhäuser dieser Generation zunehmend in die Kritik – aus ökologischer, sozialer und städtebaulicher Perspektive. Dieser Bericht analysiert kritisch die Auswirkungen und Herausforderungen, die sich aus dem Besitz und Erhalt von EFH durch die Babyboomer ergeben.


2. Historischer Kontext und Eigentumsentwicklung Einfamilienhäuser


In den 1960er bis 1980er Jahren florierte in der Schweiz der Bau von Einfamilienhäusern. Begünstigt durch wirtschaftlichen Aufschwung, stabile Jobs, tiefe Hypothekarzinsen und staatliche Anreize konnten viele Angehörige der Babyboomer-Generation Wohneigentum erwerben. Suburbane Gemeinden expandierten stark, Bauland war erschwinglich, der motorisierte Individualverkehr nahm zu – ideale Voraussetzungen für das Leben im Grünen.


3. Aktuelle Herausforderungen


3.1 Demografischer Wandel und Überalterung


Viele Babyboomer leben heute im Rentenalter in diesen Einfamilienhäusern, oft zu zweit oder allein. Der Wohnraum wird dadurch zunehmend ineffizient genutzt. Gleichzeitig ist der Zugang zum Einfamilienhaus für junge Familien finanziell kaum mehr realisierbar. Die Folge: Ein wachsender Anteil an unterbelegtem Wohnraum bei gleichzeitigem Wohnungsmangel in urbanen Zentren.


3.2 Immobilität auf dem Wohnungsmarkt


Viele ältere Hauseigentümer bleiben aus emotionalen oder steuerlichen Gründen in ihren Häusern, obwohl diese weder altersgerecht noch energetisch saniert sind. Ein Umzug in eine kleinere Wohnung wird oft gescheut – es fehlen passende Angebote, Anreize oder schlicht der Wille. Diese Immobilität blockiert den Generationenwechsel im Wohneigentum und verschärft die Knappheit auf dem Markt.


3.3 Flächenverbrauch und Nachhaltigkeit


Das EFH gilt heute zunehmend als ineffiziente Wohnform. Es verbraucht viel Boden, verursacht hohe Infrastrukturkosten und trägt zu Zersiedelung bei. Der energetische Zustand vieler Altbauten ist unzureichend, was die Klimaziele der Schweiz konterkariert. In einer Zeit, in der Verdichtung und Ressourcenschonung zentrale städtebauliche Prinzipien sind, stehen viele EFH-Siedlungen quer zu einer nachhaltigen Raumentwicklung.


4. Politische und planerische Reaktionen


Die Politik reagiert nur zögerlich auf diese Problematik. Zwar gibt es in einigen Kantonen Diskussionen über verdichtetes Bauen, Rückzonungen und neue Besteuerungsmodelle (z.B. Eigenmietwertabschaffung), doch ein grundsätzlicher Wandel ist bisher kaum sichtbar. Auch die Raumplanung stösst bei bestehenden EFH-Quartieren an Grenzen – Eigentumsrechte, kommunale Widerstände und fehlende gesetzliche Instrumente bremsen Veränderungen aus.


5. Mögliche Lösungsansätze


  • Anreize für Umzug im Alter: Förderprogramme für altersgerechte Wohnungen, Steuererleichterungen bei Verkauf oder Tausch könnten helfen, Eigentümer zum Wechsel zu motivieren.

  • Sanierungspflicht und Förderung: Eine CO₂-basierte Besteuerung sowie gezielte Subventionen könnten energetische Sanierungen beschleunigen.

  • Umnutzung und Nachverdichtung: Baurechtliche Erleichterungen für die Aufstockung, Anbauten oder Umwandlung in Mehrfamilienhäuser wären ein Hebel zur effizienteren Nutzung bestehender Strukturen.

  • Sensibilisierung: Aufklärungskampagnen über die Auswirkungen von Bodenverbrauch und Ressourcenbindung könnten gesellschaftliches Umdenken fördern.


6. Fazit


Die Babyboomer-Generation hat durch den Bau und Besitz von Einfamilienhäusern eine Wohnform etabliert, die heute zunehmend unter Druck steht. Was einst Fortschritt und Wohlstand bedeutete, stellt heute ein wachsendes Problem für Raumplanung, Umwelt und Generationengerechtigkeit dar. Ein Umdenken ist erforderlich – sowohl auf politischer als auch gesellschaftlicher Ebene. Die Frage ist nicht, ob sich das Modell des Einfamilienhauses ändern muss, sondern wie schnell und gerecht dieser Wandel vollzogen werden kann.


Quellen (Auswahl)
  • Bundesamt für Statistik (BFS)

  • ARE: Raumkonzept Schweiz

  • ETH Wohnforum / ETH Zürich

  • Studien von Wüest Partner und Raiffeisen Schweiz zur Wohneigentumsentwicklung

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