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Abschaffung des Eigenmietwerts – Pro und Contra einer umstrittenen Reform

Eigenmietwert
Eigenmietwert

Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion um die Besteuerung von Wohneigentum in der Schweiz


Einleitung


Der sogenannte Eigenmietwert ist ein fiktives Einkommen, das Wohneigentümer in der Schweiz versteuern müssen, wenn sie ihre Immobilie selbst nutzen. Dieses System hat in Europa Seltenheitswert – und in der Schweiz wird seine Abschaffung seit Jahren kontrovers diskutiert. Während die einen von einer überfälligen Korrektur sprechen, warnen andere vor negativen Folgen für den Wohnungsmarkt und die Steuergerechtigkeit. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe und Argumente auf beiden Seiten.


Was ist der Eigenmietwert?


Der Eigenmietwert ist ein geschätztes Einkommen, das ein Eigentümer erzielen würde, wenn er seine Immobilie vermieten würde. Da der Eigentümer sich selbst als Mieter „erspart“, gilt dies als geldwerter Vorteil und wird entsprechend der Einkommenssteuer unterworfen. Im Gegenzug können Hypothekarzinsen und werterhaltende Unterhaltskosten steuerlich abgezogen werden.


Das Ziel dieses Systems:


Gleichbehandlung von Mietern und Eigentümern. Denn Mieter zahlen Miete aus versteuertem Einkommen – Eigentümer sollen den Wohnwert ihrer selbstgenutzten Immobilie ebenfalls versteuern müssen.


Pro: Argumente für die Abschaffung des Eigenmietwerts


  1. Vereinfachung des Steuersystems

    Die Berechnung des Eigenmietwerts ist komplex, regional unterschiedlich und teilweise intransparent. Eine Abschaffung würde das Steuersystem vereinfachen und die Steuererklärung für Eigentümer klarer und verständlicher machen.


  2. Entlastung für Pensionierte

    Gerade Rentner mit abbezahlten Häusern haben oft ein tiefes Einkommen, müssen aber weiterhin den (teilweise hohen) Eigenmietwert versteuern. Die Abschaffung würde diese Bevölkerungsgruppe spürbar entlasten.


  3. Förderung von Wohneigentum

    Wohneigentum gilt als Teil der Altersvorsorge. Die Eigenmietwertbesteuerung schreckt viele potenzielle Käufer ab. Deren Abschaffung könnte Anreize schaffen, Eigentum zu bilden und damit langfristige soziale und wirtschaftliche Sicherheit zu stärken.


  4. Geringe Relevanz bei tiefen Hypotheken

    Da die Hypothekarzinsen in der Schweiz in den letzten Jahren historisch tief lagen, bringen die steuerlichen Abzüge kaum mehr Vorteile. Der Eigenmietwert hingegen bleibt eine Belastung. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht zuungunsten der Eigentümer.


Contra: Argumente gegen die Abschaffung


  1. Verlust von Steuereinnahmen

    Die Abschaffung würde den Bund, die Kantone und die Gemeinden vor erhebliche Einnahmeverluste stellen. Diese müssten kompensiert werden – entweder durch höhere Steuern an anderer Stelle oder durch Sparmassnahmen.


  2. Vorteil für Vermögende

    Eigentümer – insbesondere solche mit abbezahlten Liegenschaften – würden deutlich entlastet, ohne dass ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit tatsächlich eingeschränkt wäre. Kritiker sehen darin eine Umverteilung zugunsten der Vermögenden.


  3. Verzerrung gegenüber Mietern

    Mieter bezahlen ihre Miete aus versteuertem Einkommen. Wenn Eigentümer den Wohnwert nicht mehr versteuern müssen, entsteht ein Ungleichgewicht. Das ursprüngliche Prinzip der Gleichbehandlung würde aufgegeben.


  4. Verlust der Steuerabzüge

    Mit der Abschaffung des Eigenmietwerts würden auch Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten nicht mehr abziehbar sein. Für Haushalte mit hoher Verschuldung oder Sanierungsbedarf kann das zu einer steuerlichen Mehrbelastung führen – vor allem im Mittelstand.


Zwischenlösungen und politische Realität


Im Parlament kursieren verschiedene Varianten für eine Reform: Teilabschaffung nur für Pensionierte, Einführung eines Wahlrechts zwischen Besteuerung und Abzug oder komplette Systemwechsel mit entsprechenden Übergangsregelungen. Doch eine politisch tragfähige Lösung war bisher nicht durchsetzbar – zu unterschiedlich sind die Interessen der Kantone, Parteien und Verbände.


Die letzte umfassende Vorlage zur Abschaffung wurde 2020 im Nationalrat knapp abgelehnt. Doch die Debatte ist nicht abgeschlossen: Aktuelle politische Vorstösse und Volksinitiativen könnten das Thema erneut auf die Agenda setzen.


Fazit


Die Diskussion um die Abschaffung des Eigenmietwerts berührt zentrale Fragen der Steuergerechtigkeit, Altersvorsorge und Wohnpolitik. Die Argumente beider Seiten sind nachvollziehbar und zeugen von der Komplexität des Themas. Ob sich langfristig eine Reform durchsetzt, hängt nicht nur von wirtschaftlichen Überlegungen ab, sondern auch vom politischen Willen, das Schweizer Steuersystem in Richtung Transparenz, Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit weiterzuentwickeln.

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