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Werkeigentümerhaftung zwischen Bestandesschutz und Nachrüstungspflicht

Werkeigentümerhaftung
Werkeigentümerhaftung

Ein Balanceakt für Grundeigentümer:


Wer ein Grundstück besitzt, trägt Verantwortung – nicht nur für den Unterhalt, sondern auch für die Sicherheit Dritter. Doch wie weit reicht diese Verantwortung? Müssen bestehende Gebäude stets den neuesten Sicherheits- oder Energievorschriften angepasst werden? Oder schützt der sogenannte Bestandesschutz Eigentümer vor kostspieligen Nachrüstungen?


Haftung des Werkeigentümers: Klare Risiken


Die rechtliche Grundlage bildet Art. 679 ZGB sowie Art. 58 OR:


  • Nach Art. 679 ZGB haftet ein Grundeigentümer, wenn er sein Eigentumsrecht überschreitet und dadurch Schäden verursacht oder drohende Schäden nicht abwendet.

  • Nach Art. 58 OR trägt der Werkeigentümer eine Kausalhaftung – er haftet auch ohne Verschulden für Schäden, die auf fehlerhafte Anlage, mangelhaften Unterhalt oder gefährliche Bauteile zurückzuführen sind.


Das Risiko ist real: Lose Dachziegel, glatte Treppen, rutschige Bodenbeläge oder ungesicherte Lichtschächte können schnell zu Haftungsfällen führen.


Bestandesschutz: Sicherheit für Investitionen


Die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) schützt den Bestand rechtmässig erstellter Bauten. Wer mit rechtskräftiger Bewilligung gebaut hat, kann sich grundsätzlich auf Bestandesschutz berufen. Auch die Rechtsprechung anerkennt diesen Schutz – teils sogar nach jahrzehntelanger Duldung von formell rechtswidrigen Bauten.


Die Botschaft: Eigentümer dürfen darauf vertrauen, dass ihre Investitionen nicht durch plötzlich geänderte Bauvorschriften entwertet werden.


Nachrüstungspflicht: Die Ausnahme


Doch Bestandesschutz ist kein Freipass. Immer wieder zwingt die Rechtsprechung Eigentümer zur Nachrüstung – insbesondere, wenn Sicherheitsrisiken bestehen. Beispiele:


  • Sanierungspflicht für gefährliche Treppengeländer (Fall Kindergarten St. Gallen, 2007).

  • Austausch veralteter Elektroheizungen innerhalb einer kantonal vorgegebenen Frist.


Das Bundesgericht betont: Eigentümer können sich nicht auf den Stand der Technik zum Bauzeitpunkt berufen. Je einfacher und kostengünstiger eine Verbesserung wäre, desto eher gilt sie als zumutbar – und desto strenger beurteilt ein Richter Mängel.


Der Spagat: Bestandesschutz vs. Sicherheit


Die Kernbotschaft lautet: Bestandesschutz ist der Grundsatz, Nachrüstungspflicht die Ausnahme. Eigentümer müssen abwägen:


  • Wann schützt mich das Recht vor Nachrüstungen?

  • Wann zwingt mich die Sicherheit, in mein Gebäude zu investieren?


Gerade im Lichte steigender Anforderungen an Energieeffizienz und Gebäudesicherheit wird diese Balance zunehmend relevant.


Fazit


Für Eigentümer bedeutet das: Bestandesschutz gibt Sicherheit – aber keine Narrenfreiheit. Wer Gefahren ignoriert oder technische Entwicklungen verschläft, riskiert hohe Schadenersatzforderungen.


Eine proaktive Gebäudestrategie, die Sicherheit, Werterhalt und Rechtssicherheit verbindet, ist daher unverzichtbar.

 

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